Nun ist es also geschehen. Der Stadtrat hat in einer demokratischen Abstimmung die Vereinbarung über den Betriebskostenzuschuss zur Straßenbahn und den Bau auf den Weg gebracht.

Die Fünf Gegenstimmen waren von uns, der Fraktion der Freien Wähler. Nicht, weil wir gegen die Straßenbahn sind. Nein, weil wir erreichen wollten, dass über diese Vereinbarung noch einmal nachgedacht und wegen ihrer Bedeutung für die Stadt die Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot genommen werden sollten. Das Mittel hierzu wäre ein Ratsbegehren gewesen.

Wozu nun dieser Aufwand? Nun, weil wir darlegen wollen, was uns zu diesem  Nein bewogen hat.

Die Freien Wähler wollten die Bürger zum Thema Straßenbahn mitentscheiden lassen. Diese Einstellung ist nichts Neues. Bereits 2009 und 2011 haben wir auf den beiden KÖMA beim Thema Straßenbahn auf die Forderung nach einer Bürgerbeteiligung hingewiesen. Dies war auch ein wichtiger Teil unseres Wahlprogrammes 2014. Unser letzter schriftlicher Antrag an den Bürgermeister und den Stadtrat für eine Bürgerbeteiligung stammt vom Februar 2014. Es kann also niemand sagen, dies käme überraschend. Warum sind wir darauf so erpicht? Weil hier eine Entscheidung über 25 Jahre und länger im Raum stand, die auch erheblichen Einfluss auf die Stadtfinanzen hat.

 

Diese Vereinbarung, der jetzt zugestimmt wurde, nennt nicht alle Kosten und finzielle verpflichtungen. Wären es „nur“ die besagten 317.000 Euro pro Jahr, so könnte man das als auf Dauer finfnzierbar akzeptieren. Wir sehen aber einige „Nebenkosten“ für die Stadt Königsbrunn, über die noch niemand gesprochen, geschweige denn sie konkret berechnet hat.

Wir unterteilen sie in einmalige und wiederkehrende Kostenfaktoren.

 Unter einmalige Kosten fallen:

-         Das Errichten von Kreuzungen und Übergängen mit/ohne Lichtzeichenanlagen;

-         der Erwerb von Ausgleichsflächen;

-         Sicherungs- und Schutzmaßnahmen sowie Lärmschutzmaßnahmen entlang der Streckenführung.

 Die wiederkehrenden Kosten umfassen ausschließlich die Zubringerlinien der Fahrgäste zur ZOB bzw. einer Tram-Haltestelle. Klar ist, das die Linie 740 ab Straßenbahnbetrieb wegfällt. Über die anderen Linien wird im Februar im Kreisausschuss/Kreistag entschieden. Das Zubringersystem ist eine Angelegenheit des AVV. Es muss innerhalb Königsbrunns erweitert und vor allem der Betriebszeit der Straßenbahn und dem 15-Minuten-Takt angepasst werden. Diese Erweiterung kostet Geld und wir können uns nicht vorstellen, dass dies bereits in den genannten 317.000 Euro enthalten ist.

Unsere Schülerbeförderung ist den Freistaat Bayern jährlich 90.000 Euro wert, und das nur für den täglichen Transport zum Schulbeginn und Schulende incl. einiger Individualfahrten. Aufgrund dieses Vergleichs steht unsere Einschätzung für diesen Zubringerdienst bei 200.000 Euro pro Jahr. Der Anteil der Stadt ist ungewiss.

Deshalb kommen wir auch auf eine mögliche Gesamtbelastung von 500.000 Euro pro Jahr für mindestens die nächsten 25 Jahre. Und deshalb wollten wir die Bevölkerung miteintscheiden lassen. Diese von uns angenommene Summe kann durchaus erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Stadt haben. Wir wissen nicht, wie sich die Wirtschaft in 10 Jahren darstellt. Kann die Stadt das dann noch leisten oder müssen Einsparungen im Baubereich oder bei den freiwilligen Leistungen vorgenommen werden?

 Königsbrunn verpflichtet sich, die noch benötigten Grundstücke unverzüglich zu erwerben bzw. die Nutzungsrechte daran. Auch vor der Möglichkeit der Enteignung nach dem Bayer. Enteignunggesetz soll nicht Halt gemacht werden. Das öffnet Spekulanten Tür und Tor, da die Stadt gezwungen werden kann, jeden Preis zu akzeptieren. Enteignungsverfahren sind rechtlich sehr schwierig und sehr langwierig, da die meistens nur vor Gericht entschieden werden. Welche Dringlichkeit ist denn anzusetzen, wenn der ÖPNV bisher per Bus gut funktioniert hat. Was macht die Straßenbahn plötzlich so bedeutend, dass  sogar grundrechtlich geschütztes Eigentum eingeschränkt bzw. entzogen werden kann?

 Diese Grundstücke für die Trasse und alle notwendigen Einrichtungen (z.B. Haltestellen) hat die Stadt dann unentgeltlich und altlastenfrei zur Verfügung zu stellen. Wer kann hier finanztechnisch was abschreiben?

 Die 317.000 Euro Zuschuss ist ein Nettobetrag. Die AVG (Augsburger Verkehrsgesellschaft mbH) hat nach eigenen Angaben eine Auskunft vom zuständigen Finanzamt eingeholt, dass dieser Betriebskostenzuschuss nicht umsatzsteuerpflichtig ist. Die Freien Wähler konnten keinerlei schriftliche Bestätigung der Finanzbehörden in den zur Abstimmung vorgelegten Unterlagen vorfinden. Sollten die Finanzbehörden ihre Aussage revidieren, muss die Umsatzsteuer auf den Betriebskostenzuschuss zusätzlich entrichtet werden.

 Unsere Bedenken gegen die Vereinbarung richten sich auch gegen die Unmöglichkeit der Einflussnahme auf den Betrieb der Straßenbahn. Nach einer swa-Studie aus 2014 rechnen die Stadtwerke Augsburg mit einer täglichen Fahrgastzahl von 6.000 Nutzer auf dieser Strecke. In der Presse war Ende 2015 und im Januar 2016 von 10.000 Fahrgästen die Rede. Grundlage ist eine standartisierte Bewertung aus dem Jahr 2010. Wir halten diese Einschätzung für unrealistisch und überzogen. Was passiert, wenn diese Kalkulationsvorgaben nicht erfüllt werden? Fährt die Tram dann nur noch halbstündlich oder stündlich oder gar nicht mehr? Werden die Fahrpreise und damit der Betriebskostenzuschuss erhöht? Mit Annahme der Vereinbarung hat Königsbrunn den Einfluss darauf aufgegeben.

 Der Betriebskostenzuschuss ist bereits ab Baubeginn und nicht erst ab Betriebsbeginn zu zahlen. Allein das ist unverständlich. Warum für etwas zahlen, das noch nicht in Betrieb ist, zumal dies als Betriebskostenzuschuss bezeichnet wird. Vor dem Bau muss ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden. Hier werden alle Bereiche geprüft und betroffene Anwohner gehört. Doch was ist, wenn sich der Bau durch Klagen oder historische Bodenfunde verzögert? Dann wird die Stadt weiterhin  jedes Jahr zahlen müssen.

 Es reicht nicht, sich selbst auf die Schultern zu klopfen. Mit „Hurra! Die Straßenbahn kommt“ und „Wir haben es endlich geschafft“ kann man nur kurzfristig die Fallstricke überpinseln. Die Taktik des Durchwinkens von Entscheidungen geht nicht immer auf. Die Freien Wähler werden genau hinschauen, was die Zukunft bringen wird. Öffentliche Verkehrsbetriebe sind nahezu immer defizitär, und so auch in Augsburg. Die swa fährt in Augsburg ein jährliches Defizit von 45 Mio. Euro ein. Warum sollte sich die Straßenbahn nach Königsbrunn plötzlich als Goldesel entwickeln und ein „Schnäppchen“ sein?

 Hier stellt sich die Frage nach dem Cui bono, also wem nützt es. Nach einer standartisierten Bewertung der Strecke liegt der Nutzen-Kosten-Faktor bei 6,48. Dieser Wert ist außergewöhnlich hoch, da im Normalfall alles über Faktor 1 als förderwürdig und positiv bewertet wird. Augsburg zieht nun dden Bau und Betrieb der neuen Strecke ganz an sich und nimmt ihn so in ihr Gesamtprogramm auf. Wenn dieser Wert von 6,48 mit den anderen Bauvorhaben, die schon jetzt vor Fertigstellung die geplanten Kosten weit überzogen haben, verrechnet wird, so nützt das Augsburg enorm. Immerhin geht es auch um Fördergelder.

Die in der Vereinbarung über den Betriebskostenzuschuss genannte Summe von 950.000 Euro (1/3 Stadt Königsbrunn, 2/3 Landkreis) erscheint dann in einem anderen Licht. Bei einer voraussichtlichen Bauzeit von 4 Jahren spühlt das schon mal schlappe 4 Millionen Euro in die Stadtkasse Augsburg. Rechnet man die Fördergelder von 83 Prozent auf die Baukosten wird die Linie immer attraktiver – für Augsburg.

 

Wir haben uns immer gefragt, warum diese Eile. Anfang Dezember erhielten wir erstmals Kenntnis von der Vereinbarung. Mitte Januar stand sie schon zur Abstimmung im Stadtrat. Normalerweise eine ausreichende Zeit – wenn nicht die Weihnachtsfeiertage und die Ferien dazwischengelegen hätten. Manche Fragen waren einfach mangels Gesprächspartnern nicht zu lösen. Die Abstimmungen im Kreistag und im Stadtrat Augsburg waren später. Bis jetzt das Verfahren in Gang kommt dauert es noch einige Zeit. Wir in Königsbrunn hätten sicher noch ein oder zwei Monate Zeit gehabt, diese Vereinbarung genau zu durchforsten und die offenen Fragen zu klären. Aber das war offensichtlich so nicht gewünscht. Blos keinen Staub aufwirbeln!

 Zum Schluss noch ein Wort zur Straßenbahn selbst: Als Massenverkehrsmittel ist sie nicht mehr erste Wahl in Sachen Ökologie. Inzwischen bekommen Elektrobusse auf normalen Straßen oder auch auf eigenen, schallgedämmten Fahrstreifen immer mehr Bedeutung. In Aachen, Berlin, Bonn, Münster und vielen weiteren Städten sind sie bereits im Echt-Einsatz oder im Modellversuch. Gleiches gilt in vielen Staaten der EU. Ein Elektrobuss kostet im Durchschnitt 750.000 Euro. Wir hätten die Gelegenheit gehabt, hier ein Zeichen zu setzen.

Wer an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger. (Perikles, um 500 –429 v. Chr., ath. Politiker und Feldherr)